Diese und andere Fragen konnte uns der Biologe und Zoologe Armin Püttger-Conradt am Dienstag, den 11.12.2018 in seinem spannenden Vortrag beantworten, den er vor den Jahrgängen 11 und 12 der Oberstufe hielt. Seit Jahrzehnten setzt er sich unermüdlich für die vom Aussterben bedrohte Art der Nördlichen Breitmaulnashörner ein, die im Kongo und im Sudan beheimatet waren. Im März dieses Jahres starb das letzte männliche Exemplar und die letzten zwei noch lebenden weiblichen Exemplare befinden sich in einem afrikanischen Nationalpark. In seinem medial anachronistisch anmutenden Vortrag (eine Dia-Show) wirkten die Bilder noch lange nach. Sie ließen uns Zeit zum Verstehen und Nachdenken. Seine Leidenschaft und Begeisterung für diese seltene Spezies war 90 Minuten lang spürbar: Als noch junger Student ging er erstmalig für 9 Jahre nach Afrika, um deren Verhalten zu studieren und setzt sich bis heute unermüdlich für sie ein. Schüler wie Lehrer bekamen multiperspektivische Einblicke in die Arbeit eines Freiland-Zoologen und Verhaltensforschers:: die Strapazen, die man während der Expeditionen auf sich nehmen muss, der Kampf gegen Korruption und Ignoranz in den durch Bürgerkriege geschüttelten Regionen des Sudan und Kongo, die fast „zärtliche“ Zuneigung zu diesen tonnenschweren Kolossen. Das Zitat: „Ihr luftig-leichter Gang ähnelt denen einer Ballerina“ wurde mit Hinweisen zur Fußanatomie untermauert, ihre Evolution offenbarte uns die naturwissenschaftliche Verbindung von Darwin und Goethe, das Vorkommen von Nashörnern in Hemmoor nach der letzten Eiszeit dokumentierte regionale Bezüge und die noch relativ junge biologische Disziplin der Epigenetik zeigte uns neueste Forschungsansätze. Die in Südafrika lebende Population der Südlichen weißen Nashörner verfügt noch über einen sehr gesunden Bestand. Wie kam es also zur Ausrottung des Nördlichen weißen Nashorns? Die Erklärung ist ebenso ernüchternd wie schockierend: Sie wurden von Wilderern „erfolgreich“ bejagt, um deren „Nasenhörner“ und auch andere Körperteile gewinnbringend zu verkaufen – z.B. für die Produktion zweifelhafter medizinischer Wundermittel – um mit dem Erlös letztlich die Bürgerkriege finanziell unterstützen zu können. Und diese basieren eben auch auf dem Kampf um die Minen, in denen Kobalt und Tantal bzw. Coltan für die Herstellung von Mobilgeräten gewonnen wird, ein schmutziges Milliardengeschäft. Beide Rohstoffe werden für nahezu alle Smartphones genutzt, zum einen für die Lithium-Ionen-Akkus, zum anderen für die miniaturisierten Hochleistungskondensatoren. Und eine Lösung ist nicht in Sicht. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt und dies trifft auch für das Nördliche Breitmaulnashorn zu: Am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin haben Reproduktionsmediziner Sudan, dem letzten Bullen, Samenzellen entnommen und konserviert. Diese wurden mit Eizellen aus den weiblichen Individuen des Nördlichen Breitmaulnashorns zusammengeführt und die entstandenen Embryonen sollen nun im nächsten Jahr einem Weibchen der südlichen Spezies implantiert werden, ein mutiges und ebenso hoffnungsvolles Projekt zur „Wiederauferstehung“ des Nördlichen Breitmaulnashorns, denn jede Art auf unserem Planeten, die ausstirbt, bedeutet nicht nur eine stetig geringer werdende Biodiversität mit all ihren ökologischen Folgen, sie bedeutet auch letztlich irgendwann unser Aussterben.
Text: Petra Wiem / Fachobfrau Biologie
Fotos
: We, Gd